Ein weiteres Wochenende gehört der Vergangenheit an. Dieses liegt diesmal nur eine Woche zurück. Zusammen mit zwei Freunden aus Ecuador war ich diesmal in der Provinz Manabi im Trockenwald, recht nah an der Küste Ecuadors. Dieses Wochenende hätte nicht abwechslungsreicher sein können. Ich habe vieles gelernt, war in den Wäldern Manabis & und an den Stränden El Matals, habe allerdings auch die zerstörende Kraft und noch immer erschöpfte Atmosphäre des mittlerweile bereits ein halbes Jahr zurückliegende Erdbeben zu sehen bekommen.
Auch dieses Wochenende begann mit einer etwa 5 stündigen Busfahrt, welche ich allerdings erst gegen 11 Uhr nachts antrat und dann gegen 4:30 Uhr am Samstagsmorgen am Trockenwald (Bosque Seco) Lalo Loor ankam. Dort wurden wir (Gino, Jessy und ich) vom Parkleiter Roberto und seinem Hund „Camote“ in Empfang genommen. Um zu unserem Schlafquartier zu kommen, mussten wir allerdings noch 15 Minuten durch die absolute Dunkelheit unter der Führung Roberto’s durch den tropischen Trockenwald laufen.
Tropische Trockenwälder wie dieser, sind im Allgemeinen durch eine langanhaltende Trockenzeit definiert. Die Trockenwälder Manabi’s bekommen so in theoretisch 5 Monate (jetzt durch den Klimawandel schon seit einigen Jahren effektiv nur noch 3 Monate) Regen und bilden in dieser Zeit alle Vegetationsorgans aus. Im Rest des Jahres liegen diese Wälder meist komplett trocken und halten sich durch gut ausgebildete und seit Jahrhunderten existierende Wurzelsysteme (im wahrsten Sinne des Wortes) über Wasser. Da auch die Trockenwälder Manabis, ähnlich der Italiens und Spaniens recht nahe am Meer liegen, herrscht dennoch das ganze Jahr eine gewisse Luftfeuchtigkeit, die von den Pflanzen dankend entgegengenommen wird.
Ich hatte dieses Wochenende den Wald mehr oder weniger kurz nach der Regenperiode erwischt, sodass viele der Pflanzen noch in Blüte standen und auch nicht begannen ihr Laub abzuwerfen. Auch das erlaubte mir die Beobachtung von einigen Affenjungen (aber mehr dazu später).
Am Samstag ging es für uns erst einmal nach Tabuga, einem kleinen Dorf etwa 20 min von Pedernales.
Bevor ich hier weiter erzähle, erstmal kurz etwas Hintergrund:
Wie die meisten von euch sicherlich wissen, wurde Ecuador am 16. April von einem stärksten Erdbeben in der Geschichte des Landes getroffen. Siehe meinen Beitrag zu diesem Ereignis:
Die Provinz Manabis wurde während dieses Erdbebens am stärksten getroffen. Insbesondere in der Stadt Pedernales wurden etwa 80 – 90% der Einrichtungen zerstört. Was ich an diesem Wochenende zu sehen bekam waren glücklicherweise nicht mehr die ganzen Trümmer und Toten, sondern starke (und trotzdem zum Teil beängstigte) Menschen, die nach vorne schauen.
In einem der vielen Auffangcamps der Vereinigten Nationen bekamen wir Frühstück und fortan auch alle weiteren Speisen von der wunderbaren Señora Myriam. Sie lebte ihr ganzes Leben in Tabuga und hat nun allerdings ihr komplettes Haus verloren während Erdbeben verloren und nur noch einige Kleinigkeiten aus den Trümmern retten können. Obwohl sie gelernte Schneiderin (costurera) ist, arbeitet sie heute im Camp zusammen mit einigen anderen Frauen an der Beaufsichtigung der Kinder und an der Verpflegung sämtlicher Mitglieder (des Camps), solange sich halt wieder Normalität einstellt, falls das jemals passiert. Die Männer und auch einige Frauen des Camps arbeiten währenddessen rund um die Uhr an der Konstruktion von Häusern und der Wiederherstellung eben dieser Normalität. Wir haben alle etwas mehr für das Essen bezahlt, da die Menschen es hier in Manabi dingender brauchten als wir in Quito.
Jessy und Gino waren allerdings in Tabuga mit dem Auftrag des Naturschutzes der Trockenwälder. Denn hier in Manabi kommt aktuell ein recht kniffliges Problem zum Tragen. Nachdem das Erdbeben viele der Häuser, die zu großen Teilen aus Stein und Beton gebaut wurden, zerstört hat, gibt es nun eine große Nachfrage an neuen Häuser. Aus Angst und auch der Einfachheit wegen, werden nun primär Häuser aus Holz gebaut, auch um die Opferzahlen das nächste mal so gering wie möglich zu halten. Da viele Straßen allerdings noch nicht oder nur zum Teil wiederhergestellt sind, ist der Import von Holz relativ schwer, wodurch die Menschen in die anliegenden Wälder gehen und sich das Holz für die Häuser holen. Nun sind dieses allerdings zumeist Bäume aus einzigartigen Ökosystemen mit vielen endemischen Arten, die auf eben dieses Ökosystem angewiesen sind. Die Arbeit von Jessy und Gino war nun in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung um diese Wälder zu schützen, und zwar durch den Einsatz von Kamerafallen.
Die beiden haben während dieser Tage diesen Personen gezeigt, wie man mit diesen Kamerafallen arbeitet, sie installiert, gute Fotos/Videos bekommt, die Kameras wiederfindet und schließlich dem Rest der Bevölkerung zugänglich macht. Das Ziel ist, dass durch den verstärkten Einsatz dieser Kameras die Menschen ein noch besseres Gespür dafür bekommen, welche Tiere in ihren Wäldern leben und dies den Gang zum Wald das nächste mal erschwert. Soweit jedenfalls die Theorie; wie gesagt, dieses Thema ist unglaublich schwer, insbesondere in diesem Ausnahmezustand.
Jedenfalls ging daher für uns am Samstagvormittag an die Theorie des Naturschutzes der Trockenwälder, der Kamerafallen und dem Benutzen des GPS und am Sonntagvormittag dann weiter mit der Praxis und dem tatsächlichen Installieren und Finden dieser Kameras.
Am Samstagnachmittag ging es für uns dann erstmal zurück nach Lalo Loor und der Erkundung des Waldes. Dies wurde allerdings verzögert, da sich eine Affenpopulation von etwa 20 Brüllaffen, von alt bis jung vor unser Haus in Mitten des Waldes gesellte und unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit für etwa 1,5 Stunden genoss. Für mich, der Affen sonst nur aus dem Zoo kannte, war dieses Erlebnis ein unglaublich bereicherndes Erlebnis.
Insbesondere das heitere Spielen der Jungen und auch etwas älteren Affen über mehrere Baumgiganten, hat mir vor Augen gehalten, wie viel den Affen in den Zoos und Zirkussen entgeht und hat mich bestärkt diese Institutionen komplett oder Großteils zu meiden. Natürlich haben Zoos auch einen wichtigen Erhaltungszweck, der nicht zu leugnen ist, siehe den Einsatz chinesischer Zoos mit den Panda’s, die nun nicht mehr als „bedroht“ gelten:
http://www.sciencealert.com/the-giant-panda-is-no-longer-an-endangered-species
Nach dem Bestaunen der Mantelbrüllaffen ging es dann allerdings wirklich weiter ans Erkunden des Trockenwaldes.
Am Sonntagnachmittag nach dem Praxiseinsatz der Kamerafallen fuhren wir nach Jama, einem größeren Ort, der ebenfalls stark durch das Erdbeben zerstört wurde, um unsere Tickets für die Rückfahrt zu kaufen. Mit den Tickets in der Tasche ging es an die nahegelegenden Strände von El Matal.
Und während wir bereits auf dem Weg nach Jama und schließlich El Matal weitere riesiger Camps der Vereinigten Nationen zu sehen bekamen, so wurde uns erst am Strand so richtig die volle Zerstörungskraft des Erdbebens im April vor Augen gehalten. Der Strand war gigantisch groß und doch waren kaum Menschen zu sehen. Keine Touristen, kaum Einwohner…aus Angst und Mutlosigkeit. Dies hinterlässt einen recht verschmutzten und von toten Tieren übersäten Strand (siehe Titelbild) mit prunkvollen und doch zerstörten und heute komplett verlassenen Häusern direkt am Strand.
Die Atmosphäre während dieses ganzen Trips war getrübt durch Gefühle der Trostlosigkeit, doch vereinzelt auch des Muts und des Neuanfangs. Die Geschichten, die ich während dieser Tage gehört habe, lassen mich kaum vorstellen, wie ich in solchen Situationen reagieren würde, auch wenn ich bereits 2 – 3 Erdbeben hier in Quito miterlebt habe.